Liebeserklärung an die Stadtkirche
Zu Füßen des berühmten Doms liegt seine kleine Schwester, die Stadtkirche St. Laurentius mitten in der Altstadt Havelberg.
Schon von Weitem wirkt sie mit dem dekorativ geschweiften Dach ihres massigen Westturms repräsentativ. Genau das war auch die Absicht der Havelberger Stadtbürger, die „ihre“ Kirche, bisweilen in Konkurrenz zum bischöflich-adligen Dom, über viele Jahrhunderte mit großem Engagement gebaut und ausgestattet haben.
Die Lage der Stadtkirche an einem besonderen Kirchplatz, dem Friedhof, parallel zum Markt, ist typisch für eine Kolonistenstadt des 12. Jahrhunderts. Mit gutem Recht wird daher vermutet, dass die erste Kirche aus der Zeit kurz vor 1200 stammt, als man die slawische befestigte Siedlung zur Stadt umgestaltet hat. Wer mit offenen Augen das Bauwerk umrundet, kann im schlichten Backsteinmauerwerk zahlreiche Umbauten erkennen, wie sie seit dem 13. Jahrhundert immer wieder erfolgt sind.
Man betritt die Stadtkirche durch einen recht langen Gang. Er wird durch einen späten Anbau und die Eingangshalle unter dem Turm gebildet. Dann steht der Besucher fast überrascht in einer hellen, sehr gut proportionierten Halle. Erstaunlich, dass die vielen Umbauten durch die Jahrhunderte einen so geschlossenen Gesamteindruck hinterlassen haben.
Die dominanten Brüstungen der Seitenemporen führen den Blick nach vorn zum großen, zweijochigen Altarraum. Dort bleibt er an dem Altarbaldachin hängen, der den mittelalterlichen Altar schmückt und hervorhebt.
Der Erbauer Ludwig Catel, ein Studienkollege Schinkels, wählte als Altarbild eine stilistisch an Rembrandt angelehnte sehr emotionale „Grablegung Christi“ aus dem Nachlass Bernhard Rodes. Damit besitzt Havelberg eines der wenigen erhaltenen Gemälde dieses wichtigsten Berliner Malers des Spätbarocks.
Von der ehemals reichen mittelalterlichen Ausstattung hat sich bedauerlicherweise durch Reformation und Kriege nichts erhalten. Verborgen über dem Holzgewölbe des Chores liegt als besonderes Werk des Frühbarocks eine umfangreiche Kassettendecke mit fast 70 Portraits von Personen aus Bibel und Kirchengeschichte.
Rechts vor dem Chorraum befindet sich eine barocke Kanzel, verziert mit Rankenwerk, Muscheln und gedrehten Säulen. Wie eine Krone schwebt der Schalldeckel über ihr, darüber der auferstandene Christus im Triumph als Sieger über den Tod am Ostermorgen. Die Inschrift am Sockel nennt als Entstehungszeit das Jahr 1692 sowie die verschiedenen Stifter und Bearbeiter während unterschiedlicher Restaurierungsphasen.
Fast 20 Grabplatten an den Wänden zeugen vom Stolz und der Frömmigkeit der wohlhabenden Havelberger Bürger. Die älteste (rechts hinter dem Altar) zeigt 1535 noch den Ritter Hans von der Schulenburg in Rüstung, neben sich seine Gemahlin im zeitgenössischen Gewand, zu beider Füßen die zahlreichen Kinder. In der Folgezeit lassen sich Bürger und Geistliche porträtieren.
Die Westwand des Mittelschiffs wird dominiert von einem prächtigen Orgelprospekt. Es ist die spätbarocke Schauseite einer in ihrer Vollständigkeit äußerst seltenen Orgel von Gottlieb Scholze aus dem Jahr 1777.
Dank der Bundesgartenschau 2015 konnten an der Stadtkirche St. Laurentius erste notwendige Sanierungen vorgenommen werden. Die Evangelische Kirchengemeinde Havelberg wird auch in Zukunft Gäste willkommen heißen.